Geschickte Frauenhände "schneidern" Klappen aus dem Herzbeutel von Rindern. Das neueste Produkt wurde international erstmals in Salzburg eingesetzt.
Biologisch oder mechanisch? Bei der Entscheidung, ob einem Patienten eine künstliche Herzklappe eingesetzt wird oder eine biologische Klappe vom Schwein oder Rind, spielt das Alter eine entscheidende Rolle. Bei Patienten ab 65 Jahren greifen ie Herzchirurgen zur biologischen Klappe, weil sie erheblich Vorteil hat. Vorteile, die mit einem großen Nachteil erkauft werden: der begrenzen Haltbarkeit von 15 bis 20 Jahren.
Chirurgen und Parmaindustrie forschen und arbeiten daher intensiv an einer längeren Lebensdauer biologischer Herzklappen. Dieser Tage wurde an der Universitätsklinik für Herzchirurgie in Salzburg ein neues Modell eingesetzt, das deutlich langsamer verkalken soll. Das Rohmaterial stammt vom Herzbeutel von Rindern und wurde mit einer neuartigen Fixierung bearbeitet. Labortests des Herstellers haben gezeigt, dass diese Oberflächenbehandlung des Materials die Kalkbildung verzögert.
Klinikvorstand Rainald Seitelberger sieht für den betroffenen Patienten, einen Salzburger Mitte 70, zwei wesentliche Vorteile: "Diese neueste Generation von biologischen Herzklappen hat einen besseren Durchfluss und sie wird, so hoffen wir, durch die spezielle Beschichtung weniger schnell altern."
Die Salzburger Universitätsklinik setzt nach Bedarf Herzklappen der vier weltweit führenden Herstelle ein. Drei haben ihren Sitz in den USA, einer in Italien. Die italienische Sorin-Gruppe hat den Salzburger Chirurgen weltweit erstmalig ihre neueste Kreation zur Verfügung gestellt. Diese geht nun in die klinische Erprobung, in der die längere Haltbarkeit tatsächlich am Patienten nachgewiesen werden soll.
"Das wird zwangsläufig einige Jahre dauern", sagt Klinikvorstand Seitelberger. "Es sind internationale Studien an mehreren Tausend Patienten über mehrere Jahre nötig. Unsere Universitätsklinik wird sich daran maßgeblich beteiligen."
Biologische Klappen haben den Vorteil, dass der Patient kein Medikament zur Blutverdünnung einnehmen muss. Dies ist bei mechanischen Klappen notwendig, weil sich durch das künstlich Material kleine Blutgerinsel bilden können. Zudem sind biologische Klappen geräuschlos. Mechanische dagegen von manchen Patienten als "hörbar störend" empfunden.
Die Vorteile der biologischen Klappe werden aber mit dem erheblichen Nachteil der begrenzten Lebensdauer erkauft. mechanische Klappen sind praktisch unbegrenzt funktionstüchtig. Anders als biologische, welche dahervornehmlich erst bei Patienten im Alter von 65 Jahren aufwärts eingesetzt werden. "Drei Viertel dieser biologischen Herzklappen sind nach 15 Jahren noch funktionstüchtig", sagt Seitelberger. Bei knapp einem Drittel der Patienten hat die Klappe vom Schwein oder Rind vorher versagt.
Apropos Schwein und Rind: Die Herzklappe vom Schwein kann als ganze verwendet werden. Dagegen werden Rinderklappen aus Einzelstücken des Herzbeutels der Tiere zusammengenäht. Diese knifflig Arbeit vertrauen die Hersteller geschickten Händen von Frauen an, die häufig aus Asien kommen. Jeder Stich muss genau sitzen. Bei Müdigkeit oder Konzentrationsschwäche wird eine Pause eingelegt. Jede einzelne biologische Klappe ist ein mechanisches Wunderwerk.
Quelle: SN vom 24. August 2014